Böhm-Chronik



Haus- und Hofdefinitionen

Eine Sammlung aus Nordböhmen




Besitzungen und Personenbezeichnungen in den Orten des Kreises Friedland, Nordböhmen. Da Schlesien bis 1740/42 zu Böhmen gehörte, wurden vielen Definitionen, vor allem im Waldenburger Bergland, beibehalten.

Nachfolgende "Haus- und Hofdefinitionen" sollen Familienforscher, welche erstmalig mit den früheren Aufschreibungen konfrontiert werden helfen, die für den heutigen Sprachgebrauch nicht immer eindeutig zu verstehenden Begriffe einigermaßen richtig einordnen zu können. Die Besitzungen in den Orten wurden im 16. und 17. Jahrhundert im wesentlichen in drei Gruppen gegliedert, welche je nach Ortschaft noch weiter unterteilt wurden. Diese Betrachtungsweise ist sicherlich je nach Herrschaft und Landesteil unterschiedlich. Aus diesem Grund sind diese Definitionen zwar gültig für die frühere Herrschaft Friedland in Isergebirge - Nordböhmen, können aber in den Nachbarherrschaften und anderen Landesteilen Böhmens anders bezeichnet und definiert werden. Die drei Gruppen: Bauern, Gärtner und Häusler.


Die Definitionen zu den Bauern:

Je nach Ortgröße, Reichtum und anderen Kriterien werden die Bauernhöfe unterteilt in Kretscham, Bauern, Fahrbauern, Freibauern, Halbbauern, Viertelbauern und Witmutsbauern.

Kretscham
Häufig Sitz des mit der Schankgerechtigkeit bedachten Schultheißen und Gerichtsort des Dorfgerichts (Gerichtskretscham).
Im allgemeinen gab es in jedem Ort den Ortsvorsteher, damals der Schultes. Er war oft der Kretschambesitzer und wird auch mit Scholz, Schulz, Scholtes, Scultetus, Gerichtshaber, Gerichtsscholtz etc. bezeichnet. In den meisten Fällen bewirtschaftete er den größten Hof mit dem meisten Grund im Ort. Neben vielen Vorrechten war er für die Gerichtsbarkeit im Ort zuständig und musste für den reibungslosen Ablauf des örtlichen Lebens sorgen.

Bauer
Normaler bis großer Bauer mit Hof, Grund, Vieh (Gespanne) und oft Bedienstete.

Fahrbauer
Auch Fahrgut oder Fahrbauerngut, ein großer Bauer mit Rossen, welcher mit seinem Rossgespann auch Robot beim Grundherren leisten musste.

Handbauer
Auch Handgut oder Handbauerngut genannter Hof. Der Bauer hat keine Rosse. Er hatte bei der Grundherrschaft Handdienste zu verrichten.

Freibauer
Diese Bauern befinden sich in einer Sondersituation, sie sind frei von der Robot.

Halbbauer, Drittelbauer und Viertelbauer
Besitzer kleiner Bauernhöfe. Diese entstanden durch Wirtschaftsteilung größerer Höfe. Ursachen für die Teilung waren oft Erbstreitigkeiten. Beispielsweise erhielten zwei hinterbliebene Söhne jeweils die Hälfte eines größeren Bauernhofes.

Witmutsbauer
Die Witmutsbauern gab es nur in Kirchorten. Neben der Bewirtschaftung ihres Hofs hatten sie auch die Pfarrwitmut (Kirchengrund) zu bestellen.


Die Definition der Gärtner:

Gärtner sind Hausbesitzer, welche noch etwas landwirtschaftlichen Grund aber kein Ackervieh besaßen. Dabei unterschied man zwischen Gärtner, Auengärtner und Feldgärtner.

Gärtner
Sie waren Hausbesitzer, welche etwas Grund dabei hatten. Die landwirtschaftliche Fläche war aber so klein, dass sie nur in größter Not davon leben konnten. Daher mussten sie meistens noch einer anderen Beschäftigung (Handwerk) nachgehen. Sie bestellten den Grund nicht mit dem Pflug sondern mit dem Spaten oder ließen ihn gegen einer Gegenleistung bestellen.

Auengärtner
Die Auengärten entstanden auf Grundstücken (Planel) der Gemeinden in den Flußauen und wurden käuflich erworben.

Feldgärtner
Die Feldgärten, zumeist von der Grundobrigkeit angelegt, bestanden aus kleinen, von Bauerngütern abgetrennten Grundparzellen (vom Feld). Gegen Bargeld und einem jährlichen Zins konnten diese Gärten erworben werden.


Definition der Häusler:

Der Häusler besaß ein Wohnhaus mit wenig Grund (Gemüsegarten) dabei. Gelegentlich werden sie als Hausleute und Hausmänner bezeichnet.


Definition zur übrigen Ortsbevölkerung:

Die restliche Bevölkerungsgruppe war jene, welche keinen Haus- und Grundbesitz hatte. Sie zahlten für die Wohnung Miete oder leisteten eine Arbeit dafür. Die damaligen Bezeichnungen sind Hausgenosse, Inwohner, Mitwohner, Inmann etc. Häusler und Hausgenossen waren vielfach Tagelöhner oder Tagarbeiter, also keine Handwerker.


Definition Bürger und Mitbürger

In den Matrikeln kommen Bürger in Dörfern nicht vor; Bürger ist an Stadt gebunden, siehe Definition im "Wörterbuch Geschichte" von K. Fuchs / H. Raab:
"Die Bezeichnung Bürger stand demjenigen zu, der freier und vollberechtigter Einwohner einer Stadt war. Voraussetzung hierfür war der Besitz von Grund und Boden in der Stadt bzw. innerhalb deren Gemarkung (Pfahlbürger). [Anmerkung: sicherlich im Laufe der Jahrhunderte und von Stadt zu Stadt verschieden] ... Mit dem Aufkommen zahlreicher Städte vor allem seit dem 12. Jh. trat zu dem Adel und den Bauern als ein neuer Stand der der Bürger."
So ist ja auch der Bürgerbrief / Bürgerschein oder Heimatschein (in Österreich) die Bescheinigung über die Aufnahme in das Bürgerrecht einer Stadt. Erst später und bis heute wurde die Bezeichnung auf jedes vollberechtigte Glied der Staatsgemeinschaft (Staats-Bürger) angewendet.


Allgemeines:

Fälschlicherweise werden manchmal alle Gruppen als Berufsbezeichnung aufgeführt. Dabei kann man nur bei der Gruppe der Bauern von einem Beruf sprechen. Gärtner, Häusler etc. sind lediglich Beschreibungen des wirtschaftlichen Standes innerhalb der Ortsgemeinschaft. In der Bezeichnung Häusler und Tagarbeiter, kann man erkennen, dass der Hausbesitzer keinen Beruf hat, sondern irgendwo als Handlanger seinen Unterhalt erarbeitet. Findet man die Bezeichnung Häusler und Schuhemacher, dann wird ersichtlich, dass der Hausbesitzer den Beruf des Schuhmachers erlernt hat und wohl auch ausführt. Die Bezeichnung Inmann besagt lediglich, dass die betreffende Person irgendwo wohnt. Heute würde man das als Mieter definieren. Frauen werden erwähnt, wenn sie in Diensten stehen. Man findet Magd, Dienstmägdel, Kinderfrau, Kühehüterin etc. als Tätigkeiten. Meistens sind sie dann bei großen Bauern oder beim örtlichen Adel tätig. Witwen erhalten die Standesbezeichnung der verstorbenen Männer, z.B. Scholtesin, Bauerin oder Gärtnerin.


Quelle:
zusammengestellt aus Ortsgeschichten des Kreises Friedland im Iserbebirge (Nordböhmen) durch Eduard Augsten, FG Friedland im VSFF (Vereinigung Sudentendeutscher Familienforscher e.V.)

Beitrag von Herbert Kuba, VSFF (Vereinigung Sudentendeutscher Familienforscher e.V.)




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