Böhm-Chronik



Dreschgärtner

Beitrag von Klaus E. Kunze




Immer wieder wird nach dem heute unverständlichen, in der Zeit der Guts- und Grundherrschaft aber weit verbreiteten Begriff "Dreschgärtner" gefragt. Hierzu zunächst eine zeitgenössische Darstellung [aus: Johann Georg Krünitz, konomisch-technologische Encyklopädie, Sechs und vierzigster Theil, Berlin 1789, S. 285 und S. 293-295; Anmerkungen und Ergänzungen in eckigen Klammern]: "Die landwirthschaftlichen Beschäftigungen sind sowohl im Ganzen, als in allen ihren Theilen, so mannigfaltig und beschwerlich, daß wir weder solche allein, noch mit unserer Familie und Haus-Genossen zu übersehen und zu bearbeiten vermögend sind, sondern dazu noch fremde Personen männ- und weiblichen Geschlechts, Erwachsene und junge Leute, brauchen müssen, um alles gehörig und zur gesetzten Zeit zu bestellen. -

Wir [Gutsbesitzer] haben dazu gemeiniglich dreierlei Arten Arbeiter in Schlesien.

1. Ordentliche und auf ein Jahr gemiethete Gesinde und Dienstbothen, welche für gewisses Lohn und Kost uns das ganze Jahr zu Dienste seyn müssen.

2. Gewisse Tagelöhner und Arbeiter, welche man nach dem Tage für ein ordentliches Tage-Lohn miethet, und täglich oder wöchentlich bezahlt.

3. Auf gewisse Nahrungen [Anm.: Hofstellen] ausgesetzte Wirthe, welche Dresch- oder Hof-Gärtner (in der Mark aber Kossaten) heißen, und nebst dem Genusse ihrer Häuser, Gärten und Aecker, auch den 8ten, 10 oder 11 Theil von dem eingeärndeten Getreide, und den 20sten Scheffel vom Ausdrusch haben, anbey gewisse Arbeit gratis, andere aber für mäßiges Lohn thun müssen. -

[Diese] heißen Gärtner, von dem eingezäunten Stücke Feldes oder Garten, den sie gemeiniglich bey ihren Häusern und Wohnungen haben, und werden dadurch von den so genannten Häuslern, welche keinen oder sehr wenig Ackerbau oder Gras-Garten bey ihren Häusern zu haben pflegen, unterschieden. Sie heißen Dresch-Gärtner, weil sie das, für gewissen Antheil eingeärndete Getreide, den Winter hindurch ausdreschen müssen, und sind dadurch von den so genannten Frey-Gärtnern, welche nur gewisse Tage, für ausgesetztes Lohn, oder ohne Lohn, zu Hofe [Anm.: bei der Grundherrschaft] dienen (robothen) und arbeiten müssen, unterschieden. Sie heißen auch Roboth- oder robothsame Gärtner, weil sie, wegen des großen Antheiles, den sie an dem eingeärndeten Getreide haben, das ganze Jahr, theils einfach, theils doppelt, nähmlich der Mann nebst seinem Weibe oder Magd, robothen, und wenn sie nicht selbst arbeiten wollen oder können, auf ihre Kosten einen andern Mann oder Magd tagtäglich in die Arbeit stellen müssen. -

Diese Dresch- oder Hofe-Gärtner, so sehr von andern unterthänigen Wirthen in den Dörfern unterschieden sind, so sehr differiren sie wieder unter sich selbst, und es werden in einem ganzen Fürstenthume und Kreise kaum zwei Oerter seyn, wo solche Dresch-Görtner einerley Nutzungen und Genuß, oder auch einerley Arbeit und andere Schuldigkeiten zu leisten haben. -

Einige Dresch- und Roboth-Gärtner haben viel, andere weniger, und die dritten, außer ihren Gärten, gar keinen Ackerbau im freyen Felde. An einigen Orten wird ihnen nur der von ihrem Vieh gesammelte Dünger auf herrschaftliche Felder geführt, und die erste Frucht davon gelassen. In einer Gegend haben sie den 8ten, sonst den 10, 11 oder 12ten Theil des eingeärndeten Getreides zu ihrem Lohn, und genießen daneben noch den 20, 18 auch 16ten Scheffel des ausgedroschenen Getreides. Nach den Umständen des Ortes können sie 1, 2, auch 3 und mehr Stücke Vieh halten, müssen aber an einigen Orten etwas für die Gräserey [Anm.: Grasnutzung] zahlen, an andern aber solche über Grenze kaufen. Dahingegen gehen sie an einigen Orten doppelt, und in der Getreyde-Ärnde wohl dreyfach, an andern aber nur einfach, auf die herrschaftliche Arbeit. Sie bekommen entweder gewisses Tage-Lohn, oder ordentliche Kost, oder auch Kost und Lohn zusammen, müssen aber zuweilen gewisse Tage, oder gewisse Arbeiten, gratis und ohne Lohn verrichten. Sie geben nicht nur Geld-Zinsen von ihren Gründen, sondern müssen auch die Acker-Arbeit und die Bestellung ihrer Aecker noch besonders der Herrschaft bezahlen, dabey auch für geringes Lohn, oder gar umsonst, gewisse Stücke Flachs oder Werk spinnen [Anm.: Dieses und vieles andere war gewöhnlich in den "Urbarien" geregelt]. An einigen Orten haben sie freyes Holz, oder doch die Freyheit, solches in den herrschaftlichen Wäldern zu lesen und zu sammeln; anderwärts hingegen müssen sie solches kaufen, und auch die herrschaftlichen Fuhren, die ihnen solches anführen, bezahlen. -

Über das beschwerliche und entbehrungsreiche, bei sparsamster Lebensführung aber doch wohl erträgliche Dasein der mittelschlesischen Dreschgärtner in den letzten Jahrzehnten des achtzehnten Jahrhunderts gibt es einzelne zeitgenössische Berechnungen, welche ebenfalls in der großen Krünitzschen Enzyklopädie enthalten sind [Johann Georg Krünitz, Oekonomisch-technologische Encyklopädie, Sechs und vierzigster Theil, Berlin 1789, S. 295-333]. -

Es finden sich hier sehr weitschweifige und umständliche, zum Teil auch widersprüchliche Berechnungen verschiedener Autoren mit oft stark kontroversen Kosten-Nutzen-Analysen. Unterschiedliche Bewertungen erfahren vor allem zwei Fragenkomplexe:

1.) Bringt der seßhafte Dreschgärtner oder das angemietete Gesinde mehr Nutzen für die Grundherrschaft?

2.) Hat der Dreschgärtner aus seinem besonderen Verhältnis zur Grundherrschaft mehr Nutzen (als er verdient) oder mehr Lasten (als er ertragen kann)?

Wir wollen uns hier auf einige der wichtigsten als Durchschnittswerte ermittelten Ergebnisse in stark verkürzender und vereinfachender Weise beschränken: Der gewöhnliche Dreschgärtner hatte Einnahmen sowohl aus seiner eigenen Wirtschaft als auch aus der Wirtschaft seines Grundherrn. Von seinem eigenen Morgen Acker und von seinem Hausgarten mochte er Roggen, Hafer und Gerste für 11 Reichsthaler, Stroh für 6 Reichsthaler und Obst und Gemüse für 2 Reichsthaler ernten. Seine beiden Kühe und sein Federvieh konnten ihm 6 Reichsthaler einbringen. Aus seiner eigenen Wirtschaft konnte er daher jährlich etwa ungefähr 25 Reichsthaler erzielen. Von der Grundherrschaft erhielt der Dreschgärtner an Lohn für das Dreschen des herrschaftlichen Getreides 14 Reichsthaler, 1 Silbergroschen und 3 Pfennige. Sein Lohn für das Grashauen und für allerlei sonstige Arbeiten für die Herrschaft betrug 6 Reichsthaler und 21 Silbergroschen; die sogenannten Weibertage (Tage, an denen sein Weib oder seine Magd auf dem Dominium arbeiteten) brachten ihm nochmals 3 Reichsthaler und 6 Silbergroschen ein. An barem Geld verdiente er daher jährlich im Durchschnitt 24 Reichsthaler, 8 Silbergroschen und 3 Pfennige. Außerdem wurde er durch gewisse Nutzungen und Anteile an dem geernteten herrschaftlichen Getreide entschädigt. Der Wert des Weizenanteils (-deputats) betrug 8 Reichsthaler und 10 Silbergroschen, seines Roggenanteils 12 Reichsthaler, 22 Silbergroschen und 6 Pfennige, seines Gersteanteils 4 Reichsthaler und 6 Silbergroschen, seines Haferanteils 5 Reichsthaler, 11 Silbergroschen und 3 Pfennige. Für die Erbsen vom herrschaftlichen Brachfeld sparte er 1 Reichsthaler, für die Hirse 15 Silbergroschen, und der Wert des ihm zustehenden Strohs betrug 14 Reichsthaler. Der Gesamtwert seiner Nutzungen und Anteile belief sich daher jährlich auf durchschnittlich 46 Reichsthaler, 4 Silbergroschen und 9 Pfennige. Der Dreschgärtner konnte also mit einer Jahreseinnahme von rund 95 Reichsthalern rechnen. Demgegenüber mußte er jährlich für Grundzins, Ackerlohn, Grasegeld und an Hühnern und Eiern 2 Reichsthaler und 10 Silbergroschen, an Spinnlohn (sofern sein Weib nicht selbst spinnen durfte) 20 Silbergroschen, an Steuern 3 Reichsthaler, an Lohn und Kost für seine Magd 20 Reichsthaler und 24 Silbergroschen sowie an Gemeindekosten und Hirtenlohn 15 Silbergroschen aufbringen. Für Holz mußte er 3 Reichsthaler und für Salz 1 Reichsthaler und 14 Silbergroschen bereithalten. Der Dreschgärtner mußte folglich mit einer festen Jahresausgabe von rund 31 Reichsthalern rechnen. Es verblieben demnach ihm und seiner Familie zu sonstigem Unterhalt etwa 64 Reichsthaler. Was konnte er mit diesen 64 Reichsthalern anfangen? -

Ein Paar Männerstiefel kostete 2 1/3 Reichsthaler, ein Paar Weiberschuhe 1 Reichsthaler und ein Paar Kinderschuhe 1/3 Reichsthaler. Angenommen, unser Dreschgärtner hatte fünf Kinder, dann gab er allein für Schuhe ein Zwölftel seiner Jahreseinnahme aus. Für einen Zippelpelz (Mantel aus Schaf-Fell, dessen wollige Seite nach außen getragen wurde) mußte er 3 1/3 Reichsthaler berappen. Das Schulgeld für seine fünf Kinder betrug 1 2/3 Reichsthaler; und so ging es immer fort mit den Ausgaben: für Fleisch und Bier, für Töpfe und Schüsseln, für den Schmied, für die Hebamme, für den Arzt; und die 64 Reichsthaler waren, ach, viel zu schnell dahin, dahin! Die Dreschgärtner mußten sich also wohl stark bescheiden, wenn sie überleben wollten. Und ob es dem Freigärtner so sehr viel besser ging, ist sehr die Frage und hing sicherlich von den jeweiligen näheren Umständen ab, über welche die Statistiken gewöhnlich nicht viel verraten... ...Die einzelnen Löhne und Preise sind in der Enzyklopädie im verschiedenen Münzeinheiten angegeben auch in Gulden und Kronen. Zur besseren Vergleichbarkeit ist in unserem Text alles in Reichthalern berechnet; 1 Reichsthaler entsprach 30 Silbergroschen zu je 10 Pfennigen."

Quelle:
Klaus E. Kunze, Das schlesische Dorf Klein Ellguth "Oelßnischen Creyses", Köln 2000, ISBN 3-933334-09-8, Seite 83ff

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