Böhm-Chronik



Die Arbeit auf einem Rittergut

Hierarchie, Deputate und am Jahresende ein Schwein

von Gerhard Hofmann

Große Bauerngüter, vor allem Rittergüter, waren wirtschaftlich stabile, gut durchorganisierte landwirtschaftliche Betriebe, die ihren Beschäftigten wenn auch geringe so aber feste Einkünfte und damit auch sichere Lebensbedingungen garantierten.

Oft mietfreies Wohnen statt Geld

Die Vergütung erfolgte nur zum Teil durch Geld, der Rest in freier Wohnung und vor allem in Deputat und Tantiemen. Diese wurden nach Arbeitsleistung oder Arbeitsvertrag in festen Sätzen gewährleistet. Meist waren es neben der mietfreien Wohnung noch Heizmaterial, Kartoffeln, Getreide und für die meisten Beschäftigten am Ende des Jahres ein Schlachtschwein mit einem Mindestgewicht von zweieinhalb Zentnern.
Hatte der Rittergutsarbeiter eine große Familie, konnte es natürlich vorkommen, daß das Schwein nur über den Winter reichte. Dann mußte im Sommer vom ,,Eingemachten“ oder vom selbstgefütterten Geflügel gelebt werden. Der Einkauf beim Fleischer kostete Geld, und das war meist knapp.

Treff im Milchhaus bei der ,,Mamsell“

Jede Familie bekam auch täglich, je nach Stellung und der Anzahl der Beschäftigten, eine bestimmte Menge Milch frisch von der Kuh. Das Milchhaus war dann abends Treff der größeren Kinder, die die Milch von der Mamsell ausgeschenkt bekamen und im Krug nach Hause trugen. Die Vergütung der Landarbeiter in Naturalien hatte für beide Seiten, den Gutsbesitzer und auch den Arbeiter, Vorteile. Der Gutsherr konnte so, seine Agrarprodukte gleich günstig vermarkten. Kein Zwischenhändler verdiente erst am Weg vom Erzeuger zum Verbraucher daran. Die Wege zum Verbraucher waren außerdem sehr kurz.
Der Landarbeiter bekam seine Nahrungsmittel frisch vom Feld oder aus dem Stall ohne Zwischenlagerung, aber auch kontinuierlich! So brauchte keine Familie zu hungern, wenn zehn oder zwölf Köpfe am Tisch saßen. Kinderreichtum war vor dem 2. Weltkrieg bei der Landbevölkerung noch sehr verbreitet, obgleich, es damals noch kein, gestaffeltes staatliches Kindergeld gab. Außerdem existierte zu dieser Zeit noch keine Pille.
Auf dem Rittergut gab es eine feste Hierarchie. An der Spitze stand der Baron, der Amtmann oder der Inspektor, der die gesamte Feld- und Viehwirtschaft leitete. Er war meist landwirtschaftlich ausgebildet und hatte auch im Gemeinderat und im Dorf neben dem Bürgermeister das große Sagen.
Ihm zur Seite standen die Eleven oder Verwalter. Sie waren bei allen Arbeiten auf dem Gut dabei und bestimmten deren Ablauf. Es waren meist junge Männer, die nach ihrer schulischen Ausbildung auf den Gütern das praktische Wirtschaften lernten, um dann nach zwei bis drei Jahren an ihre elterlichen Höfe zurückzukehren oder durch "Einheirat" selbständige Bauern zu werden.
An der nächsten Stelle der Hierarchie standen die festen Angestellten des Gutes. Sie waren für die einzelnen Bereiche verantwortlich und hatten oft Helfer - Lehrlinge oder Tagelöhner die ihnen unterstanden. So hatte der Oberschweizer junge Männer für die schwere Arbeit im Kuhstall, der Gutsschmied, Stellmacher oder Gärtner einen Lehrling, der Kutscher einen Pferdeknecht und die Wirtschaftsleiterin, die für Haushalt, Küche, Garten und Geflügelhof verantwortlich war, hatte verschiedene Lehrmädchen.
An unterster Stelle standen die Tagelöhner, meist Ehefrauen der Angestellten oder auch Witwen, die zu den saisonbedingten Arbeiten in der Landwirtschaft wie Frühjahrsbestellung, Getreideernte und Hackfruchternte gebraucht wurden. Sie mußten für einen geringen Stundenlohn bei Wind und Wetter die Feldarbeit verrichten.

Auch im Winter Getreide gedroschen

Oft gingen die Arbeiten, vor allem der Drusch des Getreides, bis in die Wintermonate, so daß kaum Ruhe auf dem Gut einkehrte. So entstand aber auch kein Verdienstausfall für die Tagelöhner. Kurzarbeit und Arbeitslosengeld waren zu dieser Zeit noch nicht gesetzlich vorgeschrieben.

Erntefest und Kirmes kleine Höhepunkte

Das Leben auf dem Lande, vor allem das der Arbeiter auf den Gütern war oft voller Entbehrungen. Die Arbeit und die Sorge um die Ernährung der Familie füllten das Leben, besonders das der Frauen, aus. Kleine Höhepunkte waren das Erntefest und die Kirmes, die von allen Dorfbewohnern gemeinsam im Dorfkrug oder im Gasthaus zur Linde ausgiebig gefeiert wurde.

Anmerkung: Der Artikel wurde freundlicherweise von Bernd Grädler bereitgestellt.

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