Böhm-Chronik
Stellenbesitzer in Schlesien: Bauern, Gärtner und Häusler
Beitrag von Alexandra Blume
aus: Das schlesische Dorf Klein Ellguth "Oelßnischen Creyses"
Hierzu ein Auszug aus der Klein Ellguther Ortschronik (gekürzte
Fassung):
Wer in Klein Ellguth eine Rustikalstelle innehatte, also STELLENBESITZER
war, der gehörte entweder zu den BAUERN oder zu den GÄRTNERN oder zu den
HÄUSLERN.
Es gab freie und dienstpflichtige Stellenbesitzer. Die Freibauern, Freigärtner und Freihäusler waren nicht frei im modernen rechtlichen Sinne,
sondern es waren solche Stelleninhaber, deren Pflichten gegenüber der
Grundherrschaft hauptsächlich in Geldzins und Naturalabgaben und weniger
in Diensten bestanden. Demgegenüber waren die dienstpflichtigen Bauern,
Gärtner und Häusler stärker durch Frondienste und weniger durch Zinsleistungen belastet.
Die BAUERN saßen auf den am besten ausgestatteten Rustikalstellen. Sie
hatten außer Haus und Hof und Garten so viel Ackerland, daß sie zu
dessen
Bestellung mehrere Pferde- und Ochsengespanne benötigten. Die Bauerngüter umfaßten ein oder zwei, seltener mehr, schlesische Hufen. Wenn die
Bauern fronen mußten, hatten sie vor allen mit ihren Pferdefuhrwerken
Spanndienste zu verrichten.
Die GÄRTNER hatten außer Haus, Hof und Garten nur wenig Ackerland. Sie
besaßen verschiedenerlei Vieh, allerdings keine Pferde. Ihr Dienst für
die Herrschaft bestand hauptsächlich in Handdiensten. Wegen der geringen
Ertragsfähigkeit ihrer Stelle übten sie gewöhnlich nebenbei ein Handwerk
aus; wenn sie keines beherrschten, verdingten sie sich als Tagelöhner.
Die HÄUSLER hatten die kleinsten Rustikalstellen inne, denn zu einer
Häuslerstelle gehörten nur Haus, Hof und Garten und so gut wie gar kein
Ackerland. Zwar hielten die Häusler auch Vieh, vor allem Kleinvieh, sie
konnten aber vom Gartenbau und von der Viehhaltung allein nicht leben
und arbeiteten daher hauptsächlich als Handwerker, Tagelöhner oder
Gutsarbeiter. Ihre Dienste für das Dominium bestanden aus Handdiensten,
das heißt, sie mußten für eine festgesetzte Anzahl von Tagen mit einer
bestimmten Anzahl von Familienangehörigen der Gutsherrschaft zur Verfügung stehen.
In den alten schlesischen Urbaren, Schöppenbüchern und Kirchenbüchern
findet man vielerlei Begriffe für GÄRTNER.
So zum Beispiel: Groß-, Wechsel, Frei-, Dresch-, Hofe-, Ernte-, Feld-,
Robot-, Mittel-, Klein-, Bauer- oder Groschegärtner.
Der Hauptunterschied aber besteht zwischen den Freigärtnern, die "von
Anfang an zu jedem deutschen Dorfe" gehörten, und den Dreschgärtnern,
die gewöhnlich "aus den polnischen Gutsarbeitern hervorgegangen" sind.
Die Dreschgärtner waren also vom Ursprung her landwirtschaftliche
Arbeiter, welchen von der Grundherrschaft eine kleine Hofstelle als
Ackernahrung zugebilligt worden war. Nach dem Dreißigjährigen Krieg
geschah dies häufig "auf Kosten des Bauernlandes durch die Zertrümmerung verlassener Bauernhufen".
In den Reformjahren (wie z. B. 1807, 1911, 1821 und 1845) wurden die
schlesischen Landleute durch eine stattliche Reihe königlicher Ablösungsverordnungen (Regulierungsedikte) schrittweise aus der Gutsuntertänigkeit befreit. Die Rittergüter behielten zwar ihre dominierende
Rolle, aber mehr durch die Größe und wirtschaftliche Bedeutung der
Gutsbezirke und weniger durch die ihnen verbliebenen Reste richterlicher
und polizeilicher Verfügungsgewalt über die Gemeindebezirke.
Von nun an waren die jetzt freien dörflichen Stellen fast nur noch durch
die - im einzelnen geschichtlich bedingte - Größe des zugehörigen Ackerlandes voneinander unterschieden. Als im Laufe der zweiten Hälfte des
neunzehnten Jahrhundert eine Reihe von Gärtnern und Häuslern durch
Pacht,
Kauf, Erbschaft oder Einheirat ihr Besitztum vergrößern konnte, da verloren die Bezeichnungen BAUER, GÄRTNER und HÄUSLER ihren ursprünglichen
Sinn.
Das Heim eines Häuslers (Bildarchiv: Boidol)
Der Begriff BAUER wurde zwar weiterhin für die Eigentümer einer oder
mehrerer Hufen verwendet, aber immer häufiger begegnen uns in den Urkunden die umfassenderen Begriffe FREISTELLENBESITZER oder STELLENBESITZER und schließlich der ehrenvolle Sammelbegriff LANDWIRT.
LANDWIRT war fortan, wer überwiegend oder ausschließlich von seiner
ererbten, erkauften, erheirateten oder erpachteten Landwirtschaft lebte.
Quellen:
Klaus E. Kunze, Das schlesische Dorf Klein Ellguth "Oelßnischen Creyses", Köln 2000, ISBN 3-933334-09-8.
Fotografie stellte freundlicherweise Reinhard Koperlik zu Verfügung.